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Taxi – Scharia: Der Kampf der Taliban (Teil 3)
von Sven Kobelt in Nachrichten, Blick ins AuslandMit diesem letzten Beitrag möchte ich nun die Afghanistan-Trilogie abschließen und ein kurzes Fazit ziehen. Wie aus dem 1. Teil hervor ging, gibt es zahlreiche Gründe für die derzeitige Situation in Afghanistan. Allen voran ist die Armut der Menschen zu nennen, die alle Entwicklungen im Keim zu ersticken scheint. Im 2. Teil wurde auch klar, dass zusätzlich dazu radikale Gruppen wie die Taliban eine wichtige Rolle spielen. Diese kommen kriminellen Vereinigungen gleich, die wie in allen anderen Ländern der Welt versuchen ihre Machtposition mit Gewalt und Unterdrückung zu sichern…
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Sicherheit und Unterdrückung auf der einen Seite
Wie sieht nun aber die Zukunft des Landes und der Bevölkerung aus? Auf der einen Seite stehen die Unterdrückung durch die Taliban und andere Stammesführer. Deren primäres Interesse besteht darin, ein System aufrecht zu erhalten, in dem Männer alle Macht haben, während Frauen fast keine Rechte haben und in erster Linie ihren Männern dienen. Zudem erfolgt nach altem islamischem Recht eine Rechtssprechung gegebenenfalls auch ohne Richter und kann so im Zweifelsfall von den Interessen und der Subjektivität des Stärkeren bestimmt werden. Nichts desto trotz sprechen in einem solchen System die Herrschenden immerhin die Sprache der Beherrschten, verstehen deren Probleme und Ideale, deren Glauben und Kultur. Weiterhin versprechen sie eine gewisse Sicherheit, denn soweit man alle Regeln befolgt und sich den Herrschenden unterwirft, steht man unter deren Schutz. Diese Sicherheit scheint derzeit größer zu sein, als die Sicherheit, die von der demokratischen Regierung und den Koalitionstruppen gewährleistet werden kann. Dies ist auch einer der Gründe für den zunehmenden Einfluss der Taliban in Pakistan.
Ungewissheit und Wahlrecht auf der anderen Seite
Auf der anderen Seite stehen ausländische Truppen, die eine demokratische Regierung aufbauen und unterstützen wollen. Mögen ihre Ziele noch so edel sein, scheinen sie mit dieser Aufgabe hilflos überfordert. Primär weil sie als Besatzer auftreten und aufgefasst werden, deren Distanz zur Bevölkerung sehr groß ist. Soldaten können Kriege gewinnen, vielleicht auch für zivile Sicherheit sorgen, aber der Aufbau einer funktionierenden Gesellschaft erfordert andere Kompetenzen. Schon allein deshalb, weil die große Mehrheit der Soldaten weder die Sprache des Landes beherrscht, noch Kenntnisse über diese fremde Kultur hat bzw. ausreichend im Umgang mit den lokalen Bräuchen und Gepflogenheiten geschult wurde. Die Taktik der Taliban zielt klar darauf ab, diesen Effekt zu verstärken bzw. auszunutzen. So beschränkt sich die Distanz zwischen der Bevölkerung und den Besatzern inzwischen nicht mehr nur auf Verständigungsprobleme und kulturelle Unterschiede, sondern wird genährt durch blankes Misstrauen, Angst oder sogar Hass auf beiden Seiten. Schließlich greifen auch die „Friedenstruppen“ im Kampf gegen Aufständische bzw. potentiell Verdächtige zunehmend zu völkerrechtswidrigen Mitteln. Wie in einem Beitrag des Weltspiegels berichtet, gibt es neben dem nun schon länger bekannten Gefängnissen auf Guantanamo und im Irak auch im afghanischen Bagram ein Gefangenenlager, in dem Verdächtige monatelang von US-Truppen festgehalten und gefoltert werden. Und mag das Informationsangebot in Afghanistan noch so beschränkt sein, solche Nachrichten verbreiten sich in der Bevölkerung sicher schnell, wenn nicht zuletzt durch Hetzkampagnen der Taliban.
Mögliche Auswege
Aber was gibt es für einen Ausweg aus dieser verfahrenen Lage? Wie lässt sich Frieden und Demokratie in dieses Land zu bringen? Natürlich hat Sicherheit oberste Priorität, eine Truppenaufstockung allein reicht aber nicht aus. Die Soldaten sollten Grundkenntnisse der Landessprache erlernen, um zumindest mit den Menschen dort direkt kommunizieren zu können. Zusätzlich zum direkten Kampf gegen radikale Organisationen wie die Taliban muss die Bevölkerung selbst unbedingt stärker in den Entwicklungsprozess mit einbezogen werden. Der Aufbau einer demokratischen Regierung und der ihr zur Verfügung stehenden Ordnungskräfte ist ein erster Schritt in diese Richtung. Aber wie soll ein Volk wählen, dem der demokratische Grundgedanke fehlt? Wie sollen sich Menschen für ihre Freiheit einsetzen, wenn ihnen Brot und Wasser fehlen? Daher müssen die Energie- und Trinkwasserversorgung auf- oder ausgebaut werden, die Nahrungsversorgung sichergestellt werden, sowie Schulen und Kindergärten eingerichtet werden. Eine große Herausforderung wird dabei die Weiterbildung der Erwachsenen, unter denen die Analphabetenquote vermutlich sehr hoch ist.
Oberste Prämisse bei all dem ist die Beachtung und Integration der lokalen Bräuche und Sitten. Es wird kaum möglich sein, eine solch tief greifende Veränderung in kurzer Zeit durchzuführen. In Gegenden wo es die Sicherheitslage zulässt, müssen humanitäre Hilfskräfte aktiv werden, die auf sozialer Ebene beginnen, die Menschen auf das Leben in einer solchen Gesellschaft vorzubereiten. Die ihnen zeigen, dass sich ihr Glaube entgegen der Behauptungen vieler konservativer islamischer Geistiger sehr wohl mit Werten wie Gleichberechtigung und Gewaltfreiheit vereinbaren lässt. Schließlich müssen auch die Nachbarstaaten Afghanistans, wie zum Beispiel Pakistan, deren politische Stabilität am seidenen Faden hängt, in diesen Prozess mit einbezogen werden. All das wird jedoch einen großen Aufwand, sowohl zeitlicher als auch finanzieller Natur, erfordern. Wenn die Staatengemeinschaft dazu nicht bereit ist, dann sollten alle Truppen möglichst schnell abgezogen und den radikalen Kräften das Zepter überlassen werden. Denn in diesem Fall bringt der Krieg für die Freiheit den Menschen in diesem Land mehr Unglück, als der Status Quo in der Unterdrückung.
1 Kommentar
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§ Sven Kobelt® schrieb am 03.09.09:
Die Bundeswehr hat übrigens inzwischen Maßnahmen ergriffen, um die Ausbildung ihrer Soldaten für den Einsatz in Afghanistan zu verbessern. Mit interessanten Ideen, siehe http://tiny.cc/FOmMC.